Kritik von Arbeitsagentur und Arbeitgebern: Mehr Flexibilität bei der Rente gefordert

- 16.01.2015 von Marlen Schurr -

Rente und RentenentwicklungDie abschlagsfreie Rente mit 63 erlebt aktuell einen unerwarteten Run. Nur wenige Monate nach der Einführung der Neuregelung, die Arbeitnehmern mit 45 Beitragsjahren den abzugsfreien früheren Renteneinstieg ermöglicht, wurden bis Ende November bereits 186.000 Anträge gestellt – eine Entwicklung, die Arbeitgeber und Bundesagentur für Arbeit gleichermaßen mit Sorge sehen. Deren Chef Franz-Jürgen Weise fordert jetzt mehr Flexibilität in die andere Richtung.

Anreize für einen späteren Renteneinstieg nötig

Er plädierte in einem Gespräch mit der Tageszeitung ‚die Welt‘, auch Anreize für einen späteren Einstieg zu schaffen und insgesamt für mehr Flexibilität bei der Rente zu sorgen. Es solle dadurch auf freiwilliger Basis möglich werden, bis 70 zu arbeiten. Von Arbeitgeberseite werden solche Forderungen gerne gesehen. Hier war das Vorhaben der Großen Koalition, den früheren Renteneinstieg zu ermöglichen, von Anfang an kritisch beurteilt worden.

Bei den Unternehmen kritisiert man die zusätzliche Kostenbelastung durch die Reform, die auf rund 3 Milliarden Euro im Jahr geschätzt wird – eine Summe, die von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern gleichermaßen durch höhere Beiträge bzw. Verzicht auf Beitragssenkungen in der Rentenversicherung zu tragen ist. Es geht aber nicht nur um die Kosten. Hinter der Kritik steht auch der sich immer stärker bemerkbar machende Fachkräftemangel in Deutschland.

Rente mit 63: ein Signal in die falsche Richtung

Angesichts des demografischen Wandels wird sich das Problem fehlender Fachkräfte in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Denn viele hochqualifizierte Arbeitnehmer erreichen demnächst das Rentenalter, ohne dass genügend Nachwuchs zur Verfügung steht. Benötigt würde daher eine längere Lebensarbeitszeit, nicht nur um die Rentenkasse zu entlasten sondern auch, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Die Rente mit 63 wirkt da wie ein Anreiz in die falsche Richtung. Dabei gibt es sogar noch weitergehende Forderungen. Die SPD möchte sogar die Rente mit 60 verwirklicht sehen. Dabei soll es um ein Modell gehen, bei der die Möglichkeit zur Teilrente mit verkürzter Arbeitszeit kombiniert wird.

Arbeitsgruppe der Koalition berät

Innerhalb der Großen Koalition wird in einer Arbeitsgruppe über die Flexibilisierung beim Renteneinstieg beraten. Konkrete Ergebnisse oder Vorschläge liegen allerdings noch nicht vor. Der Wirtschaftsflügel der Union ist gegen weitere Absenkungen des Renteneintrittsalters, er plädiert – ähnlich wie BfA-Präsident Weise und die Arbeitgeber – für mehr Flexibilität nach oben. Einen Anreiz, länger zu arbeiten, soll dabei der sogenannte Flexi-Bonus bieten. Arbeitnehmer, die später in Rente gehen, sollen künftig die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ausbezahlt bekommen und dadurch netto deutlich mehr im Portemonnaie haben, wenn sie den Renteneinstieg verschieben. Ende Januar will die Arbeitsgruppe ihre Vorschläge präsentieren. Man darf darauf gespannt sein.

Deutschland beim Renteneintritt im Mittelfeld

Im internationalen Vergleich liegt das Renteneinstiegsalter in Deutschland eher im Mittelfeld. Der offizielle Rentenbeginn liegt je nach Geburtsjahrgang zwischen 65 und 67 Jahren. Hierzulande starten Männer aber tatsächlich mit 62,1 Jahren in die Rente, Frauen mit 61. In Japan, den USA und Großbritannien beginnen Beschäftigte ihren Ruhestand später. In Italien endet dagegen das Arbeitsleben schon mit 60,8 Jahren. / Fotoquelle: fotolia.de / © Robert Kneschke

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!