Studieren ohne Abitur: Welche Möglichkeiten bieten sich an?

- 01.07.2015 von Sonja Hess -

Studium und HochschulabschlussAuch wenn die meisten Studierenden an deutschen Hochschulen das Abitur erworben haben, ist das nicht zwingend erforderlich. Denn ein Studium ohne Abitur ist durchaus möglich, sofern bestimmte andere Voraussetzungen erfüllt sind.

Berufspraxis und Fachwissen werden anerkannt

Wer das Abitur an einem deutschen Gymnasium abgelegt hat, hat damit die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erworben und kann im Prinzip in jeder beliebigen Fachrichtung ein Universitäts- oder Hochschulstudium aufnehmen. Ausnahmen bilden lediglich diejenigen Studiengänge, in denen Bewerberinnen und Bewerber eine Eignungsprüfung absolvieren müssen – wie beispielsweise in vielen künstlerischen Fächern. Grundsätzlich ist es aber auch möglich, ganz ohne Abitur – das heißt, ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung – zu studieren. Die Voraussetzungen dafür sind in Deutschland allerdings nicht einheitlich geregelt, sondern unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Gemeinsam ist allen Regelungen jedoch, dass berufliche Praxis und einschlägiges Fachwissen unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls zum Hochschulzugang berechtigen. In der Regel wird dabei zwischen folgenden drei Kategorien von Studieninteressenten ohne Abitur differenziert:

  • mit Meisterprüfung (oder einer gleichwertigen Aufstiegsfortbildung)
  • mit abgeschlossener Berufsausbildung und/oder Berufserfahrungen in fachlicher Nähe zum gewünschten Studienfach
  • mit Berufserfahrungen ohne fachliche Nähe zum gewünschten Studienfach

Meistertitel als Abituräquivalent

Diejenigen, die bereits eine berufliche Aufstiegsfortbildung absolviert und beispielsweise nach entsprechender Prüfung einen Meistertitel erworben haben, erhalten auch ohne Abitur Zugang zum Studium in allen Fächern. Wer eine mehrjährige Berufsausbildung abgeschlossen oder Berufserfahrungen in fachlicher Nähe zum gewünschten Studienfach erworben hat, kann ebenfalls ohne Abitur zum Studium zugelassen werden. Allerdings wird in diesen Fällen meist noch ein Eignungsnachweis verlangt, und die Entscheidung über den Zugang zum Studium obliegt in jedem Einzelfall der betreffenden Hochschule. Die Eignung zum Studium kann beispielsweise durch ein Probestudium oder durch spezifische Eignungs- beziehungsweise Feststellungsprüfungen nachgewiesen werden. Wer nach einer mehrjährigen Berufsausbildung beziehungsweise mehrjähriger Berufspraxis ohne Abitur ein Studium in einer Fachrichtung aufnehmen möchte, die inhaltlich keine Nähe zur eigenen beruflichen Tätigkeit aufweist, kann dafür unter Umständen ebenfalls zugelassen werden. Dann wird allerdings meist der Erwerb einer fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung durch eine entsprechende Prüfung zur Auflage gemacht.

Hohe Motivation – aber teils falsche Erwartungen

Die Erfahrungen zeigen, dass es nicht unbedingt von Nachteil sein muss, wenn jemand ohne Abitur studiert. Häufig zeichnen sich Studierende, die aus der beruflichen Praxis an eine Universität oder Hochschule kommen, durch eine besonders hohe Motivation und ein überdurchschnittliches Engagement im Studium aus. Insbesondere diejenigen, deren Studienrichtung einen engen fachlichen Bezug zu ihrer bisherigen Tätigkeit hat, verfügen in der Regel über sehr genaue Vorstellungen darüber, was sie mit ihrem Studium bewirken und welche Karriereziele sie als Nächstes erreichen wollen. Sie studieren deshalb oft sehr zielstrebig und zügig. Außerdem können Sie viele der im Studium vermittelten Inhalte oft besser einordnen als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, für die dieses Wissen mangels eigener Berufserfahrungen zunächst eher abstrakt und theoretisch ist. Allerdings gehen Studierende ohne Abitur mitunter auch mit falschen Erwartungen an das Studium heran. Sie unterschätzen die mit dem Studium verbundenen Anforderungen – oder versäumen es, eigene Wissenslücken rechtzeitig zu schließen. So gibt es inzwischen beispielsweise eine Reihe von Studiengängen, die nur mit ausreichenden Englischkenntnissen absolviert werden können, weil die Fachliteratur überwiegend auf Englisch veröffentlicht wird oder auch, weil teilweise Lehrveranstaltungen auf Englisch gehalten werden.

Universitäten und Hochschulen geben Unterstützung

Im Vergleich zu Studierenden, die direkt nach dem Abitur an die Hochschule wechseln, haben „Späteinsteiger“ ohne Abitur oft auch eine größere Belastung zu schultern, weil sie bereits Familie haben oder ihr Studium berufsbegleitend absolvieren wollen. Viele Universitäten und Hochschulen wissen um dieses Problem und bieten entsprechende Unterstützung an, beispielsweise durch flexible Studienstrukturen oder eine durch gezielte Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Studium, Familie und Beruf. Insgesamt betrachtet, ist ein Studium ohne Abitur in den meisten Fällen keineswegs einfach, kann sich aber dennoch auszahlen. Vor allem für diejenigen, die ohnehin ihrer Branche beziehungsweise ihrem Fachgebiet treu bleiben wollen, ist es eine zeitsparende Alternative zu einem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg mit anschließendem Studium. / Fotoquelle: fotolia.de / © Robert Kneschke

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können