Insolvenz des Arbeitgebers – was tun?

- 20.07.2017 von Sonja Hess -

Insolvenzgeld und InsolvenzverfahrenAm Anfang gleich mal eine gute Nachricht: Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist das sechste Jahr in Folge rückläufig. Trotzdem mussten 2016 immer noch knapp 124.000 Firmen Insolvenz anmelden. Wenn man bedenkt, dass in der Vergangenheit selbst solche namhaften Unternehmen wie die AEG oder Quelle aufgeben mussten, kann eine Insolvenz praktisch jeden Arbeitnehmer treffen.

Wann liegt eine Insolvenz vor und wer übernimmt die Rolle des Arbeitgebers?

Eine Insolvenz liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann oder wenn Zahlungsunfähigkeit droht. Das bedeutet, Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden. Das betrifft beispielsweise Kreditraten, Steuern, Material, Energie, aber auch Löhne und Gehälter. Ein anderer Grund für Insolvenz ist Überschuldung. Das bedeutet, das Vermögen der Firma kann die Verbindlichkeiten nicht mehr decken. In diesen Fällen wird ein Insolvenzverfahren eingeleitet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, der Rechte und Pflichten des Arbeitgebers übernimmt. Der vorläufige Insolvenzverwalter übernimmt die Leitung des Unternehmens zunächst für 3 Monate und schätzt während dieser Zeit ein, ob eine Rettung möglich ist und welche Maßnahmen dazu ergriffen werden müssen. Nicht jedes Unternehmen, welches Insolvenz angemeldet hat, stellt die Geschäftstätigkeit vollständig ein. Vielen gelingt es auch, sich zu sanieren und einen Neuanfang zu machen.

Was passiert mit den Arbeitnehmern?

Zunächst einmal gar nichts. In der Regel brauchen Arbeitnehmer keine sofortige Kündigung zu fürchten. In der Regel kommt es zu keinen sofortige Kündigungen. Sobald das Insolvenzereignis eingetreten ist, übernimmt der Insolvenzverwalter die Leitung des Unternehmens. Als Insolvenzereignis gilt beispielsweise der Zeitpunkt, ab dem das Unternehmen offiziell Insolvenz anmeldet, der Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt wurde oder der Zeitpunkt, von dem ab die Geschäftstätigkeit eingestellt wurde. Der Insolvenzverwalter hat zwar ein besonderes Kündigungsrecht, kann Arbeitnehmern aber nur dann kündigen, wenn beispielsweise im gesamten Betrieb oder in bestimmten Teilen die Geschäftstätigkeit eingestellt wird oder wenn es wegen mangelnder Aufträge keine Arbeit mehr gibt.

Wie sieht das mit den Kündigungsfristen und Sozialplänen aus?

Zunächst einmal bleiben die Arbeitsverhältnisse bestehen. Der Insolvenzverwalter kann besondere Kündigungen aussprechen, bei denen die Kündigungsfrist maximal 3 Monate beträgt. Davon können auch langjährige Mitarbeiter mit längerer Kündigungsfrist oder Arbeitnehmer, denen im Vertrag von Seiten des Arbeitgebers Unkündbarkeit zugesichert wurde, betroffen sein. Dasselbe trifft auf Arbeitsverträge mit befristeter Laufzeit zu. Auch diese können vor dem Ende der Laufzeit gekündigt werden. Wenn es sich dabei um Schwerbehinderte handelt, muss jedoch zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Zudem muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein.

Sozialpläne, die länger als 3 Monate vor der Insolvenz vereinbart wurden, bestehen zwar juristisch fort, ob sie aber erfüllt werden können, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Sozialpläne, die in den letzten 3 Monaten vor der Insolvenz vereinbart wurden, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Betriebsrat widerrufen werden. Bei Sozialplänen, die nach der Insolvenz vereinbart wurden, gelten 2 Beschränkungen. Erstens dürfen Arbeitnehmer höchstens einen Gesamtbetrag von 2,5 Monatsverdiensten erhalten und zweitens darf für den Sozialplan maximal ein Drittel der Insolvenzmasse verwendet werden.

Was passiert mit den noch offenen Lohnforderungen?

Werden Löhne und Gehälter schon vor der Insolvenz nicht mehr gezahlt, müssen diese Ansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Dadurch werden sie zu Insolvenzforderungen, die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden müssen. Da in den meisten Fällen die Insolvenzmasse nicht ausreicht, kann damit nur ein kleiner Teil der Ansprüche gedeckt werden. Für den Ausgleich sorgt das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit. Lohnforderungen nach dem Insolvenzereignis sind dagegen Masseforderungen. Das bedeutet, sie müssen aus der Masse erfüllt werden. Erst wenn alle Masseforderungen erfüllt sind, kommen Insolvenzforderungen an die Reihe. Wenn die Insolvenzmasse so gering ist, dass noch nicht einmal alle Masseforderungen erfüllt werden können, spricht man von Massearmut. In solchen Fällen können auch die Forderungen von Massegläubigern nur teilweise erfüllt werden. Laut Gesetz müssen die Kosten für das Insolvenzverfahren vorrangig aufgebracht werden.

Was ist das Insolvenzgeld?

Das Insolvenzgeld ist eine Ausgleichszahlung der Bundesagentur für Arbeit. Es wird gezahlt, sobald ein Insolvenzereignis eingetreten ist und entschädigt die Arbeitnehmer für nicht erfüllte Lohnforderungen. Das Insolvenzgeld wird rückwirkend für die letzten 3 Monate vor dem Insolvenzereignis gezahlt. Es kann sofort nach Bekanntgabe des Insolvenzereignisses beantragt werden, spätestens aber 2 Monate danach. Da die Bearbeitung durch die Arbeitsagentur lange dauern kann, besteht die Möglichkeit, einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld zu beantragen. Die Höhe des Insolvenzgeldes entspricht dem Netto-Arbeitsentgelt, allerdings werden Steuern pauschal abgeführt, individuelle Freibeträge werden nicht berücksichtigt. Das Insolvenzgeld gilt als Lohnersatzleistung und muss bei der Einkommensteuer angegeben werden. / Fotoquelle: fotolia.de / © interstid

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können