Verbraucherschützer fordern gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung

- 24.06.2015 von Sonja Hess -

Berufsunfähigkeit wieder gesetzlich?Das Risiko der Berufsunfähigkeit zählt zu den schwerwiegendsten finanziellen Risiken für alle, die noch nicht das Rentenalter erreicht haben. Dennoch ist die Absicherung dagegen oft unzureichend. Verbraucherschützer sehen die Politik gefordert.

Großer Nachholebedarf in vielen Ländern Europas

Wer vor dem Eintritt ins Rentenalter aufgrund von Krankheit oder Verletzung dauerhaft berufsunfähig wird, dem drohen aufgrund des damit verbundenen Verdienstausfalls erhebliche finanzielle Nachteile. Diese können jedoch ausgeglichen werden, sofern rechtzeitig eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen worden ist. Einer aktuellen Studie des Rückversicherungsunternehmens Swiss Re zufolge sind viele Europäer jedoch nicht ausreichend gegen eine eventuelle Berufsunfähigkeit abgesichert. Die von den Experten des Unternehmens errechnete Deckungslücke summiert sich europaweit auf einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag: Insgesamt würden im Ernstfall 750 Milliarden Euro fehlen. Grundlage der Analyse war die Annahme, dass jedem Erwerbstätigen im Falle der Berufsunfähigkeit wenigstens noch rund 60 Prozent seines zuletzt erzielten Nettoeinkommens zur Verfügung stehen sollten.

Deutschland nur knapp über Durchschnitt

Die als erstrebenswert betrachtete Absicherung von 60 Prozent wird jedoch innerhalb Europas nur von Schweden sowie von der Schweiz erreicht. Schlusslicht ist Großbritannien mit nur etwa 35 Prozent. Deutschland liegt zwar über dem europaweiten Durchschnittswert von 40 Prozent, erreicht die Zielmarke von 60 Prozent aber bei Weitem nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Absicherung des Risikos einer Berufsunfähigkeit in Deutschland seit 2001 kein Teil der gesetzlichen Rentenversicherung mehr ist. Nach dem 1. Januar 1961 geborene Erwebstätige müssen für den Fall einer dauerhaften Berufsunfähigkeit grundsätzlich selbst vorsorgen. Die private Absicherung bietet dem Einzelnen den Vorteil größerer Entscheidungsfreiheit und Wahlmöglichkeiten. Der Bund der Versicherten (BdV) und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fordern jedoch in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier, dass der Schutz gegen die Folgen einer Berufsunfähigkeit wieder eine Komponente der gesetzlichen Absicherung von Erwerbstätigen werden solle, und plädieren für eine fundamentale Reform des aktuellen Modells der privaten Vorsorge.

Probleme bei Vorerkrankungen und risikoreichen Berufen

Zu Begründung ihrer Position führen Vertreter des BdV und der Verbraucherzentrale an, es sei der Versicherungswirtschaft nicht gelungen, eine tragfähige Lösung für den Schutz gegen Berufsunfähigkeit für alle Bürger zu entwickeln. Dabei haben sie vor allem den Umstand im Blick, dass Menschen mit Vorerkrankungen oder risikoreichen Berufen häufig Probleme haben, eine bezahlbare Absicherung ihres Berufsunfähigkeitsrisikos zu finden. Deshalb sei nun die Politik gefordert. Zudem müssten die Rahmenbedingungen für den Abschluss privater Verträge verbessert werden. Es solle eine einheitliche Lösung geben, die möglichst jedem einen entsprechenden Vertragsabschluss ermöglicht. Des Weiteren wird auch eine Mindestrente in Höhe von 1.500 Euro für den Fall der Berufsunfähigkeit gefordert. Der komplette Ausschluss von Vorerkrankungen wie Diabetes aus dem Versicherungsschutz solle den Versicherern künftig nicht mehr möglich sein.

Risikobewusstsein ist durchaus vorhanden

Dass es sich dabei keinesfalls nur um eine akademische Diskussion handelt und in der Bevölkerung durchaus ein entsprechendes Risikobewusstsein vorhanden ist, lässt sich anhand der eingangs erwähnten Studie von Swiss Re ebenfalls belegen. Nur ein Zehntel der im Rahmen der Studie Befragten hatte angegeben, dass ihre Angehörigen im Falle ihres Todes oder einer schweren Erkrankung finanziell abgesichert seien. Insgesamt waren für die Studie 13.000 Personen in zwölf Ländern Europas sowie in Israel befragt worden.

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können