Die EZB-Geldpolitik und die Rentner – unvermeidlicher Kollateralschaden?

- 26.05.2015 von Marlen Schurr -

EZB und RenteAls die EZB Anfang des Jahres den Geldmarkt mit frischem Geld flutete, indem sie massive Anleihekäufe einleitete, gab es von Beginn an massive Kritik an diesen Maßnahmen. Während EZB-Chef Draghi dabei stets auf positive Beispiele in USA und Großbritannien hinwies, sahen viele Experten einen finanzökonomischen Zauberlehrling am Werke, den man später nicht mehr würde bändigen können.

Unter anderem befürchtete man spekulative Blasen und eine stark erhöhte Inflationsgefahr. Noch lassen sich die Folgen der eingeleiteten Maßnahmen nicht abschließend beurteilen, da räumt Draghi aktuell in einer Rede vom 14. Mai 2015 ein, dass seine finanzpolitischen Instrumente durchaus Opfer kennen: Sinkende Zinsen würden Sparer und besonders auch Rentner stark benachteiligen. Verantwortlich für die Schadensbeseitigung seien allerdings nicht er und die EZB, sondern die nationalen Regierungen.

Rentner und sinkende Zinsen – klassische Vorsorge in Not

Jahrelang schon malt die Politik durch Absenkung des Rentenniveaus bei steigender Lebensarbeitszeit wahre Schreckensszenarien an die Wand, wenn es um die Renten geht. Die gesetzliche Rente reiche keinesfalls aus, um im Alter einen auch nur halbwegs vergleichbaren Lebensstandard zu sichern wie zu Zeiten der Erwerbstätigkeit. Schuld seien insbesondere der demografische Wandel sowie die insgesamt längere Lebenserwartung der Menschen. Arbeitnehmer müssten privat vorsorgen, so die Forderung der verantwortlichen Sozialpolitiker. Leicht gesagt. In Zeiten anhaltender niedriger Zinsen werden genau die klassischen Vorsorgemodelle der Arbeitnehmer wie Betriebsrenten, Lebensversicherungen und Sparguthaben in große Not gebracht. Die ultralockere Geldpolitik gefährdet diese Finanzmodelle teilweise in ihrer Existenz. Auch die empfohlene Riesterrente gerät je nach Anlageform in schwierige Fahrwasser und wird nicht in dem vorgesehenen Maß die gesetzliche Rente ergänzen können. Insoweit werden die hier investierten staatlichen Fördergelder in kaum erträglicher Weise sinnentleert.

Für den vorsorgenden Arbeitnehmer stellt sich die Frage, wie er sein Geld investieren soll, um eine halbwegs akzeptable Rendite für seine private Altersvorsorge zu erreichen. Die Flucht in risikoreichere Anlageformen wie Aktienfonds stellt nur bedingt eine Alternative dar. Der Ausgang der Anlagebemühungen ist hier relativ ungewiss. So mancher Arbeitnehmer mag sich angesichts solcher Aussichten fragen, ob er denn überhaupt eine sinnvolle Altersvorsorge betreiben kann und soll.

Niedrige Zinsen hat Folgen für bereits bestehende Renten

Auch wer heute bereits Rentner ist, wird in einen unerwarteten Verteilungskampf verwickelt, wenn Zinsen sinken und das Geld locker sitzt. Rentenerhöhungen werden von einer Realinflation steigender Preise sofort aufgezehrt. Die Rente wird so immer weniger wert. Insbesondere auch wer etwa zur Ergänzung seiner Rente auf Sparguthaben zurückgreifen möchte, die er sich unter Umständen jahrzehntelang im Hinblick auf eine weitgehend stabile Zinslage aufgebaut hat, sieht sich schlechten Umtänden ausgesetzt. Sein Guthaben in dieser wirtschaftlichen Lage schrumpft schneller als jemals vorausgesehen, insbesondere wenn Negativzinsen greifbar werden. Im legendären Sparstrumpf scheinen Sparguthaben zurzeit sicherer aufgehoben als auf der Bank.

Problem erkannt – Lösung zweitrangig?

EZB-Chef Draghi wirkt kaltschnäuzig, wenn er Rentner und Sparer als kollaterale Nebenwirkungen betrachtet, deren Interessen hinter gesamtwirtschaftlichen Interessen zurückzutreten haben. Auch mit dem Verweis auf die Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten nationaler Politik scheint er sich sehr einfach zu machen. Andererseits werden dieses Probleme zumindest offen benannt. Auch im Hinblick auf die Verantwortlichkeit in den einzelnen Ländern hat Draghi nicht ganz Unrecht.

Rentenpolitik muss endlich zukunftsfähige Konzeptionen entwickeln

Seit Jahrzehnten schiebt die deutsche Politik das Thema Rente vor sich her. Missionarisch und in ständiger Wiederholung wird den allseits finanziell belasteten Arbeitnehmern die private Vorsorge gepredigt. Die Niedrigzinsphase ist nur ein weiteres Symptom dafür, dass das System als solches krankt und die gebetmühlenartige Wiederholung von Phrasen nichts daran ändert. Gefragt sind innovative Konzepte, die abweichend von der offensichtlich in Stein gemeißelten Generationenverteilung der Rente ermöglichen, dass auch zukünftige Rentner von ihrer gesetzlichen Rente grundsätzlich leben können. Es bleibt abzuwarten, ob deutsche Politik dieser Herausforderung gewachsen ist. / Fotoquelle: fotolia.de / © JFL Photography

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!