Rückwirkende Rentenansprüche nach der Scheidung – Mehr Rente vom Ex-Mann

- 22.01.2014 von Marlen Schurr -

Rente und ScheidungsrechtIn Deutschland wird heute jede dritte Ehe geschieden. Für den Gesetzgeber war dies sicherlich ein wichtiger Grund, das Scheidungsrecht seit dem Jahr 2009 grundsätzlich zu reformieren. Ein Fokus der Neuregelung: Die wechselseitigen Rentenansprüche der beiden Partner. Wurden bis zum Jahr 2009 im Scheidungsfall lediglich die gesetzlichen Ansprüche nach einem relativ komplizierten Berechnungsverfahren miteinander abgeglichen, gilt jetzt für alle Rentenansprüche halbe/halbe. Sämtliche Versorgungsansprüche der beiden Partner werden halbiert, jeder Partner erhält von allem die Hälfte. Die unterschiedliche Höhe oder die Art der Ansprüche spielen dabei keine Rolle.

Rückblick mit neuen Aussichten

Für Paare, die nach 2009 geschieden werden, gilt das neue, nach allgemeiner Auffassung gerechtere Scheidungsrecht automatisch. Das heißt: Bei Ehepartnern, die noch im Berufsleben stehen, werden die bis zum Zeitpunkt der Scheidung angefallenen Versorgungsansprüche berechnet und geteilt. Aber was ist mit den Geschiedenen, deren Scheidung bereits vor 2009 über die Bühne gegangen ist? Die gute Nachricht: Auch sie können von dem neuen Scheidungsrecht profitieren und die jetzt geltenden Versorgungsansprüche rückwirkend geltend machen. Vor allem Frauen, die während ihrer Ehe nicht oder nur teilweise berufstätig waren, sollten an dieser Stelle aufhorchen. Insbesondere dann, wenn der geschiedene Ex nicht nur über gesetzliche, sondern über zusätzliche private oder betriebliche Versorgungsansprüche verfügt.

Nachrechnen lohnt sich!

In den vergangenen Jahren hat die private Altersvorsorge immer mehr an Bedeutung gewonnen. Kaum jemand, der sich noch allein auf die gesetzliche Rente verlässt. Eine zusätzliche private Rentenversicherung, betriebliche Direktversicherung bzw. berufsständische Versorgungsleistungen sind fast schon selbstverständlich. Im Scheidungsfall hieß dies bis zum Jahr 2009: Glück für den Partner, der zusätzliche Rentenleistungen erwarten konnte, Pech insbesondere für Frauen, die sich während der Ehe vorrangig um Kinder und Haushalt gekümmert hatten. Bei der Berechnung der Versorgungsansprüche blieben die privaten Leistungen weitgehend außen vor bzw. wurden nur unzulänglich mit der gesetzlichen Rente quer verrechnet.

Familienrechtsexperten und Anwälte gehen davon aus, dass Versorgungsansprüche vieler geschiedener Frauen neu berechnet werden müssten und empfehlen: Im Zweifelsfall unbedingt nachrechnen lassen. Möglichen Anspruch auf eine Aufstockung der eigenen Versorgungsansprüche haben alle, die zwischen dem 1. Juli 1977 – dem Inkraftreten des alten Scheidungsrechts – und dem 1. September 2009 (Stichtag des neuen Rechts) geschieden worden sind. Etwa sechs Millionen Scheidungen sind in diesem Zeitraum ausgesprochen worden. In ungefähr der Hälfte der Fälle – so die vorsichtige Schätzung – ist eine Neuberechnung der Versorgungsansprüche erforderlich, bei etwa einem Drittel der Fälle besteht Aussicht auf zum Teil erhebliche Nachbesserungen.

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So wäre eigentlich eine Flut von Klagen vor den Familiengerichten zu erwarten. Dies ist jedoch derzeit noch nicht der Fall. Vor allem wohl deshalb, weil die Betroffenen – in der Regel die Frauen – ihre neuen Ansprüche gar nicht kennen.

Wer vor dem Hintergrund der neuen Gesetzeslage vermutet, dass ihm zusätzliche Ansprüche zu stehen, der sollte sich nicht scheuen, guten Rat einzuholen. So klar die neue Lage ist, so kompliziert ist nämlich das Aufdröseln und Einfordern rückwirkender Ansprüche. Juristische Laien sind damit definitiv überfordert. Keine Angst vor übermäßigen Zusatzkosten: Anfallende Gerichts- und Anwaltskosten müssen von beiden Parteien je zur Hälfte getragen werden.

Bevor man oder Frau vor Gericht zieht, sollte unbedingt geklärt werden, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat, sprich: eigenen Ansprüche überhaupt ausreichen, damit ein Familiengericht aktiv wird. Im juristischen Sinn muss nämlich die Angemessenheit der Forderung gewährleistet sein. Im Klartext: Die aus der Nachforderung zu erwartenden zusätzlichen Rentenansprüche müssen mindestens ca. 54 Euro monatlich betragen. Es gibt inzwischen einige Anwaltskanzleien, die auf solche Fälle spezialisiert sind und eine Erstberechnung eventuell sogar kostenlos anbieten. Für viele betroffene Frauen kann dies nur heißen, sich ganz genau zu erkundigen. Und je früher dies geschieht, desto besser.

Vielleicht lässt sich bei eindeutigen Fällen mancher Rosenkrieg um die Rente ja beilegen, bevor er überhaupt ausbricht. / Fotoquelle: fotolia.de / © ufotopixl10

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!