Dass die demografischen Entwicklungen in Deutschland Auswirkungen auf die Altersvorsorge haben, ist schon seit Langem bekannt. Doch wann und wie diese Auswirkungen tatsächlich eintreten werden, ist vielen Bundesbürgern nicht klar. Eine kürzlich vorgestellte Studie liefert ernüchternde Fakten.
Trügerische Ruhe
Zurzeit macht Deutschland einen wirtschaftlich gesunden und robusten Eindruck – vor allem im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern, die sich nur mit Mühe aus einer langwierigen Rezession emporarbeiten können. Dies gilt insbesondere auch für den Arbeitsmarkt, denn mit mehr als 42 Millionen Erwerbstätigen erreichte Deutschland Ende 2013 den höchsten Stand der Erwerbstätigkeit seit der Wiedervereinigung. Nach dem saisonbedingten Rückgang im Winter stieg die Beschäftigtenzahl im März 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereits wieder auf rund 41,8 Millionen an, und die bereinigte Erwerbslosenquote von 5,1 Prozent suggeriert nahezu paradiesische Zustände. Doch der schöne Schein trügt, denn in absehbarer Zukunft droht ein demografisch bedingter Wohlstandsknick. Bert Rürup, Altersvorsorge-Experte und Präsident des Forschungsinstituts HRI, warnt davor, dass die Zeit der relativen Ruhe für Deutschland schon bald vorbei sein werde. Da aktuell nur die relativ schwachen Nachkriegsjahrgänge in Rente gehen, erlebe Deutschland zurzeit noch eine „demografische Pause“. Doch diese auch von der Arbeitsmarktentwicklung unterstützte Zeit relativer Ruhe werde bald vorbei sein, und der Knick werde sich noch vor dem Jahr 2020 deutlich bemerkbar machen.
Verschärfung der Probleme ab 2030
Mit den Details der erwarteten Entwicklungen befasst sich eine Studie zum Thema „Zukunft der Altersvorsorge“, die kürzlich von dem von Rürup geleiteten Institut und der Prognos AG gemeinsam im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erstellt worden ist. Rürups Berechnungen zufolge dürfte sich der demografische Knick vom Jahr 2030 an verstärken, wenn zunehmend geburtenstärkere Jahrgänge ins Rentenalter kommen. Etwa um 2050 werden hundert erwerbsfähige Personen bereits für 61 Rentner aufkommen müssen. Statt wie heute knapp 42 Millionen wird die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland dann voraussichtlich nur noch bei etwa 36 Millionen liegen. Ein Problem sieht Rürup vor allem darin, dass das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen bis zur Jahrhundertmitte spürbar zurückgehen wird, viele aktuelle Studien zu diesem Thema jedoch nur den Zeitraum bis etwa 2030 analysieren. Deshalb würden die Folgen der Alterung immer noch weithin unterschätzt.
Betriebliche Altersvorsorge als Ausweg
Einen möglichen Ausweg aus der sich abzeichnenden Renten-Krise sieht Rürup vor allem in einer stärkeren Nutzung der betrieblichen Altersvorsorge, deren Potenzial seiner Einschätzung nach bislang noch nicht hinreichend genutzt wird. Der Experte favorisiert dabei eine Lösung, bei der die betriebliche Altersvorsorge von vornherein tarifvertraglich verankert, aber mit sogenannten Opting-out-Modellen verbunden wird. Dies würde bedeuten, dass die Arbeits- und Tarifverträge zunächst einmal grundsätzlich eine Entgeltumwandlung zum Zwecke der Altersvorsorge vorsehen. Arbeitnehmer, die keine betriebliche Altersvorsorge in Anspruch nehmen möchten, könnten dann jedoch im Rahmen von Opting-out-Modellen den betreffenden Regelungen individuell widersprechen. Bei einer solchen Vorgehensweise würde folglich nur ein eventuell beabsichtigter Verzicht ein aktives Handeln des Arbeitnehmers erfordern, während die betriebliche Altersvorsorge sich in allen anderen Fällen zum Standard entwickeln würde, ohne dabei jedoch irgendeine Form von Zwang auszuüben. Unter diesen Bedingungen dürfte die Akzeptanz dieser aktuell noch relativ wenig genutzten Altersvorsorgekomponente bei Arbeitnehmern vermutlich deutlich zunehmen. / Fotoquelle: fotolia.de / © drubig-photo