Teilzeit-Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz – rechtzeitig berufliche Weichen stellen!

- 30.03.2013 von Sonja Hess -

Berufsausbildung und BerufsschuleChancengleichheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind zentrale Themen der Bildungspolitik. Das Leben mit Kindern und die Gestaltung der beruflichen Zukunft dürfen kein Widerspruch sein. Trotzdem fürchten gerade junge Mütter häufig, dass ihr Berufsweg bereits zu Ende ist, bevor er angefangen hat. Das muss nicht sein: Eine Berufsausbildung kann auch in Teilzeit absolviert werden.

Ausbildung in Teilzeit – ein guter Start für Mutter, Vater, Kind

Eine abgeschlossene Berufsausbildung schafft die Grundlage für beruflichen Erfolg und verbessert die Chance auf finanzielle Unabhängigkeit auf dem weiteren Lebensweg. Das ist um so wichtiger, wenn junge Menschen bereits früh Verantwortung für eigene Kinder tragen. Bereits im Jahr 2005 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen für eine Teilzeit-Ausbildung geschaffen. In § 8 des Bundesbildungsgesetzes (BBiG) ist festgeschrieben, dass eine Ausbildung in Teilzeit dann möglich ist, wenn es ein so genanntes berechtigtes Interesse gibt, das einer Ausbildung in Vollzeit entgegensteht. Wer wollte bezweifeln, dass ein Kind ein solches „berechtigtes Interesse“ darstellt?

Ausbildung in Teilzeit – wie funktioniert das?

Bei einer Teilzeit-Ausbildung wird die wöchentliche Arbeitszeit im Betrieb reduziert, so dass der oder die Auszubildende die Möglichkeit hat, die Zeit zwischen Beruf und Kind aufzuteilen. Auch die Pflege eines Angehörigen wird als Grund für eine Teilzeit-Ausbildung anerkannt. Wenn die Ausbildungszeit mindestens 25 Stunden in der Woche beträgt, bleibt die für den jeweiligen Ausbildungsberuf vorgesehene Ausbildungsdauer unverändert. Wird die Stundenzahl unterschritten bzw. das Ausbildungsziel innerhalb der vorgesehenen Zeit nicht erreicht, kann die Ausbildungsdauer bis zu einem Jahr verlängert werden.

Die Teilzeitregelung betrifft die betriebliche Ausbildung – die in der Berufsschule zu absolvierenden Stunden können nicht reduziert werden, hier ist die Stundenzahl fest vorgeschrieben. Die Berufsschulzeiten werden jedoch auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet. Vergütung und Urlaubstage der Teilzeit-Ausbildung werden anteilig berechnet. Davon sollten Teilzeit-Azubis sich jedoch nicht abschrecken lassen: Zum Ausgleich der geringeren Ausbildungsvergütung können ggf. finanzielle Unterstützungsleistungen – z.B. eine Berufsausbildungsbeihilfe – in Anspruch genommen werden.

Wenn Ausbildungsbetrieb und Teilzeit-Azubi Einigkeit erzielt haben, stellt das ausbildende Unternehmen einen Antrag bei der zuständigen Kammer und die Teilzeitausbildung wird vertraglich festgelegt. Wichtig: Auch bei einer Schwangerschaft während einer bereits laufenden Ausbildung ist – z.B. nach der Elternzeit – auf Antrag eine Änderung der Vollzeit- in eine Teilzeitausbildung möglich.

Wie finde ich einen Teilzeit-Ausbildungsplatz?

Sie wundern sich, dass Sie noch nie eine Stellenausschreibung für eine Teilzeit-Ausbildung gelesen haben? Das hängt sicher auch damit zusammen, dass in vielen Betrieben die Möglichkeit zur Teilzeit-Ausbildung nicht bekannt ist. Dabei können nicht nur Azubis, sondern auch Betriebe von Teilzeit-Ausbildungen profitieren. Bei gleichem Ausbildungsergebnis „kostet“ ein Teilzeit-Azubi ein Unternehmen deutlich weniger. Insbesondere für Unternehmen, die sich Themen wie Frauenförderung, Diversity oder Familienfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben haben, sind erfolgreiche Teilzeit-Auszubildende zudem ein Imagefaktor. Zusatzplus: Teilzeit-Ausbildende sind häufig besonders motiviert, engagiert und zuverlässig.

Grundsätzlich gilt: Wer eine Teilzeit-Ausbildungsstelle sucht, kann sich auf jede Stellenanzeige bewerben, in der Auszubildende gesucht werden. Teilzeit-Ausbildung ist in jeder dualen Ausbildung möglich, ein Recht auf Teilzeitausbildung gibt es zudem auch in schulischen Ausbildungsbereichen (z.B. Krankenpflege) und im öffentlichen Dienst. Bei der Bewerbung kommt es – wie bei jeder Ausbildung – zunächst darauf an, ob das Profil des Bewerbers den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Mögliche Teilzeit-Absprachen müssen dann individuell geregelt werden.

Gut möglich, dass Bewerber nicht in jedem Unternehmen mit ihrem Anliegen auf ein offenes Ohr treffen. Hier sind dann gute Argumente, überzeugendes Auftreten und sicher auch ein wenig Hartnäckigkeit erforderlich. Wer sich davor scheut, mit seinem Teilzeit-Ausbildungsanliegen direkt auf ein ausbildendes Unternehmen zuzugehen, kann sich im Vorfeld informieren und beraten lassen. In fast allen Bundesländern gibt es inzwischen öffentliche, aber auch private Netzwerke, Bündnisse und Anlaufstellen, die beratend tätig sind, Kontakte zu ausbildenden Betrieben herstellen und/oder Teilzeit-Ausbildungsstellen vermitteln.

Chancen nutzen!

Teilzeit-Ausbildung ist eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Form der beruflichen Integration, die insbesondere jungen Müttern und Vätern dabei hilft, Fuß im Arbeitsleben zu fassen. Sie müsste – so gesehen – eigentlich voll im Trend liegen. Um so erstaunlicher, dass der Anteil von Teilzeitauszubildenden pro Ausbildungsjahrgang nur verschwindend gering ist. Im Jahr 2010 waren gerade einmal 0,2% aller abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Teilzeit. Hier sind die Bundesagentur für Arbeit, Bildungspolitiker und Verbände gefordert: mehr Öffentlichkeit herstellen, die Möglichkeit der Teilzeit-Ausbildung stärker im öffentlichen Bewusstsein verankern und Unternehmen für die damit verknüpften Chancen sensibilisieren – und sei es auch nur deshalb, weil der Fachkräftemangel sicher nicht von alleine verschwinden wird. Nicht nur Kinder, sondern auch gut ausgebildete Mütter und Väter braucht das Land! / Fotoquelle: fotolia.de / © AustralianImages com

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können