Der Fachkräftemangel in Deutschland

- 29.09.2022 von Daniela Lütke -

Handwerk und GesundheitssektorViele Branchen der Wirtschaft klagen über einen Fachkräftemangel. Wie konnte es dazu kommen, wo ist er besonders groß und was kann man dagegen tun?

In welchen Branchen ist der Fachkräftemangel besonders groß?

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist groß. Rein rechnerisch konnten von Juli 2021 bis Juli 2022 mehr als 500.000 offene Stellen quer durch alle Branchen nicht besetzt werden, weil es für sie keine ausreichend qualifizierten Arbeitssuchende gab. Selbst die Corona-Pandemie konnte den Trend nur kurzfristig bremsen, weil viele Betriebe ihre Produktion drosselten. Jetzt müsste die Produktion eigentlich wieder in vollem Umfang laufen, wird aber durch einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften gebremst. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nicht in jeder Branche gleich viele Arbeitskräfte fehlen. In einigen Bereichen ist der Mangel jedoch besonders groß.

Zwei Drittel aller offenen Stellen, die nicht besetzt werden können, erfordern eine abgeschlossene Berufsausbildung (Facharbeiter). In akademischen Berufen fehlen dagegen (mit Ausnahme von IT Kräften) nicht so viele Beschäftigte. Der größte Fachkräftemangel herrscht im Gesundheitssektor.

Die Spitzenreiter mit dem größten Bedarf an Fachkräften sind:

  • Sozialarbeiter und Sozialpädagogen
  • Kinderbetreuer und Erzieher
  • Altenpfleger

Auch in einigen Handwerksberufen werden dringend Fachkräfte gesucht:

  • Bauelektriker
  • Sanitär- Heizungs- und Klimatechniker
  • Kraftfahrzeugtechniker

Ebenfalls stark nachgefragt sind:

  • Gesundheits- und Krankenpflege-Fachkräfte
  • Informatiker
  • Berufskraftfahrer

Gibt es regionale Unterschiede in Deutschland?

Je nach Region ist der Fachkräftemangel sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Baden-Württemberg ist die Situation in ganz Deutschland am schlimmsten. Nur in diesem Bundesland allein werden mittlerweile mehr als 80 Prozent aller offenen Stellen in Engpassberufen ausgeschrieben. Auf dem zweiten Platz folgt Thüringen und Rheinland-Pfalz nimmt den dritten Platz ein. In der Bundeshauptstadt Berlin werden dagegen nur 38 Prozent aller Stellen in Engpassberufen ausgeschrieben (Stand: 2022).

Darüber hinaus existieren auch Unterschiede zwischen ländlichen Regionen und Ballungsgebieten. Auf dem Land fehlen besonders viele Nachwuchskräfte, da junge Leute lieber in die Städte ziehen. Aufgrund der guten ärztlichen Versorgung, vieler Kultur- und Bildungseinrichtungen, zahlreichen Shops und eines guten ÖPNV ist die Lebensqualität dort besser. Entwickelte Regionen werben aktiv Arbeitskräfte an. In der nächsten Zeit wird sich der Wettbewerb der verschiedenen Regionen untereinander wahrscheinlich noch verstärken.

Was sind die Ursachen des Fachkräftemangels?

Fachleute diagnostizierten mehrere Ursachen für den Fachkräftemangel, die sich zum Teil gegenseitig verstärken.

Die Altersstruktur der Bevölkerung
Der Altersdurchschnitt der Bevölkerung steigt an. Es gehen mehr Menschen in Rente als Berufsanfänger dazu kommen. Diese Tendenz zeigt sich auch in anderen Industrieländern.

Frühzeitiges Ausscheiden aus dem Job
Die Folgen der Alterung der Bevölkerung werden durch ein immer früheres Ende des Berufslebens verstärkt. Der Hauptgrund dafür ist die „Rente mit 63“. Wer kann, nimmt das Angebot in Anspruch. Dazu kommt ein Anstieg der Berufsunfähigkeit. Bereits jetzt werden 25 Prozent aller Beschäftigten im Laufe ihres Lebens berufsunfähig und scheiden aus dem Berufsalltag aus.

Erhöhte Anforderungen im Job
Viele Jobs verlangen nach Flexibilität. Lange Arbeitszeiten auch nachts und an Wochenenden sind keine Seltenheit. In vielen Pflege- und Handwerksberufen sind die körperlichen Anforderungen so hoch, dass ein Teil der Arbeitnehmer nicht bis zum Rentenalter durchhält.

Einstellung der Öffentlichkeit
In der Öffentlichkeit werden akademische Berufe nach wie vor als höherwertig angesehen. Berufe, die körperlichen oder seelischen Einsatz erfordern, gelten dagegen leider oftmals als minderwertig.

Abwerbung durch Großunternehmen
Kleine und mittelständische Unternehmen bilden Fachkräfte aus, nur um festzustellen, dass diese von Großunternehmen abgeworben werden. Große Firmen locken mit höherem Verdienst, besseren Sozialleistungen und Karrieremöglichkeiten.

Abwanderung
Mehr und mehr Arbeitnehmer machen sich den Fachkräftemangel zunutze und wechseln zu Arbeitgebern, die ihnen bessere Konditionen bieten. Andere verlassen sogar Deutschland für immer, um sich in einem anderen Land eine neue Existenz aufzubauen.

Was kann gegen den Fachkräftemangel getan werden?

Ein Patentrezept gibt es nicht. Verstärkte Einwanderung kann das Problem wahrscheinlich auch nicht lösen, weil die wenigsten Immigranten kurzfristig in der Lage sind, fehlende Fachkräfte zu ersetzen. Zur Lösung des Problems sind Staat und Wirtschaft gefragt. Der Staat könnte beispielsweise die Einwanderung von Fachkräften erleichtern. Unternehmen sollten darauf achten, gute und familienfreundliche Bedingungen zu schaffen und ihren Mitarbeitern ein gutes Arbeitsklima und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Selbst die Forschung ist gefragt. Durch die Optimierung der Fertigungsprozesse und den verstärkten Einsatz von Robotern könnte sie in einigen Bereichen den Bedarf an Arbeitskräften senken und den Anteil schwerer und zum Teil auch gesundheitsschädlicher Arbeit reduzieren. / Fotoquelle: © fizkes – Shutterstock.com

Autor: Daniela Lütke

Daniela ist 2016 zu uns gestoßen. Als Journalistin und ehemalige Unternehmensberaterin hat sie sich ein enormes Wissen zu den Themen Ausbildung, Beruf & Karriere aufgebaut und versteht es, dieses geschickt in Worte zu fassen.