Die 4-Tage-Arbeitswoche: Das sind die Vor- und Nachteile

- 26.10.2022 von Marlen Schurr -

Viele Arbeitnehmer in Deutschland träumen von der 4-Tage-Arbeitswoche. In Belgien ist sie bereits Realität, in Island wurden Modellversuche gestartet und auch andere Länder sind nicht abgeneigt. Doch was bedeutet ein fehlender Arbeitstag pro Woche für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer?

Was ist die Vier-Tage-Woche?

Es handelt sich um ein neues Arbeitszeitmodell, bei dem Arbeitnehmer pro Woche 4 Tage arbeiten und 3 Tage frei haben. Praktisch wird jedes Wochenende zu einem langen Wochenende, so wie es jetzt eintritt, wenn der Freitag oder der Montag ein gesetzlicher Feiertag ist. Bei einer Vier-Tage-Woche wäre also jeder Freitag oder Montag ein arbeitsfreier Tag. In einigen Bereichen wäre wohl auch ein Wechsel möglich, sodass in einer Woche der Freitag, in einer anderen der Montag arbeitsfrei ist.

Welche Varianten gibt es?

Es gibt zwei verschiedene Modelle der Vier-Tage-Woche. Bei der einen wird die wöchentliche Arbeitszeit nicht verkürzt, es bleibt hier bei einer Stundenzahl von 40. Bei der anderen reduziert sich die Arbeitszeit auf 32 Stunden, zum Teil sogar bei vollem Lohnausgleich.

Die erste Variante ist arbeitgeberfreundlich, da die Arbeitszeit nicht reduziert wird. Anstatt 5 Tage mit jeweils 8 Stunden arbeiten die Mitarbeiter 4 Tage mit je 10 Stunden täglich. Das ist für die Mitarbeiter natürlich nicht besonders vorteilhaft, da vereinzelt die Konzentration stark nachlassen kann. Bei der zweiten Variante bleibt die tägliche Arbeitszeit bei 8 Stunden und die Wochenarbeitszeit wird auf 32 Stunden reduziert. Diese Option erfreut sich verständlicherweise bei den Arbeitnehmern großer Beliebtheit.

Vorteile der Vier-Tage-Woche

Für Arbeitnehmer liegen die Vorteile auf der Hand:

  • kürzere Arbeitswoche
  • mehr Freizeit
  • mehr Zeit für Familie und Privatleben
  • weniger Fahrtkosten
  • mehr Zeit für Erledigungen wie Behördengänge oder ähnliches

Obwohl Arbeitgeber der Vier-Tage-Woche anfangs skeptisch gegenüber standen, profitieren auch sie von einer kürzeren Arbeitswoche:

  • bessere Produktivität
  • weniger Fehlzeiten
  • Verringerung des Krankenstandes
  • mehr Zeit für Schulungen und Fortbildungen
  • höhere Motivation der Mitarbeiter
  • Kostenreduzierung, etwa weil das Büro einen Tag weniger geheizt werden muss

Nachteile der Vier-Tage-Woche

So wie jede Medaille zwei Seiten hat, gibt es auch bei der Vier-Tage-Woche nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Zu den wichtigsten gehören:

Mögliche Verringerung des Urlaubsanspruchs
Der gesetzliche Mindesturlaub basiert auf der Fünf-Tage-Woche und beträgt 20 Tage pro Jahr (4 Arbeitswochen). Bei einer Vier-Tage-Woche würde er auf 16 Tage sinken (ebenfalls 4 Arbeitswochen).

Reduzierung des Lohns
Wird die wöchentliche Arbeitszeit reduziert, sind nicht alle Firmen bereit oder in der Lage, trotzdem denselben Lohn wie bei einer 40-Stunden-Woche zu zahlen. In der Praxis würde das bedeuten, dass Mitarbeiter 20 Prozent weniger verdienen würden. Wer bis jetzt 2.000 Euro im Monat mit nach Hause nimmt, müsste sich dann mit 1.600 Euro zufriedengeben.

Probleme mit der Kinderbetreuung
Dieser Nachteil trifft auf die Variante mit der ungekürzten Arbeitszeit zu. Betroffene Eltern müssten täglich 10 Stunden arbeiten, mit Überstunden könnten es sogar 12 Stunden werden. Das macht Probleme bei jüngeren Kindern, da Kindertagesstätten und Schulhorte gar nicht so lange geöffnet haben.

Unterschiedliche Arbeits- und Schulzeiten
Während die Eltern jede Woche einen zusätzlichen Tag frei haben, müssen die Kinder weiterhin an 5 Tagen pro Woche zur Schule. Der zusätzliche freie Tag der Eltern kann also nicht für Familienaktivitäten genutzt werden.

Wie sieht die Situation in Deutschland aus?

In Deutschland gibt es noch keine großen Modellversuche zur Einführung der Vier-Tage-Woche, so wie es Spanien zum Beispiel in naher Zukunft plant. In einzelnen Firmen wurden schon Pilotprojekte gestartet. Grundsätzlich befürworten die meisten Mitarbeiter die Einführung einer allgemeinen Vier-Tage-Woche, weisen aber auf die weiter oben genannten Schwierigkeiten und Probleme hin.

Das größte Hindernis ist die Reduzierung des Lohns. Besonders in der aktuellen Lage wären nur wenige Menschen bereit, für eine Vier-Tage-Woche weniger Lohn in Kauf zu nehmen. Dazu kommt der Fakt, dass eine Vier-Tage-Woche für Familien nur dann Sinn macht, wenn auch der Schulunterricht an nur 4 Wochentagen stattfindet. Aber die Anzahl der Schulstunden pro Tag zu erhöhen, ist hier unmöglich.

Langfristig betrachtet geht der Trend eindeutig zu einer Reduzierung der Arbeitszeit und der Einführung der Vier-Tage-Woche. Bis die kurze Arbeitswoche jedoch ebenso selbstverständlich sein wird wie heute die Fünf-Tage-Woche, werden wohl noch Jahre vergehen. In einigen Bereichen wird die Einführung zudem aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein. Wahrscheinlich wird es eher so sein, dass einzelne Firmen die Vorreiterrolle übernehmen und ihren Mitarbeitern die Vier-Tage-Arbeitswoche ermöglichen. / Fotoquelle: © Konstantin Gastmann – pixelio.de

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!