Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung

- 02.10.2019 von Gaby Mertens -

Urlaubsrecht und ZusatzurlaubStirbt ein Arbeitnehmer und endet dadurch dessen Arbeitsverhältnis, dann können die Erben eine finanzielle Vergütung für dessen noch offenen Urlaubsanspruch verlangen. Mit dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 22. Januar 2019 geben die Richter ihre bisherige Rechtsprechung auf.

Worum geht es bei dieser Entscheidung genau?

Vor Gericht gezogen war eine Witwe, deren Mann im Jahr 2010 starb. Die Witwe war die Alleinerbin ihres Mannes und verlangte von dessen früherem Arbeitgeber die Abgeltung des Urlaubsanspruchs, der ihrem Mann zum Zeitpunkt seines Todes noch zustand. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verstorbene noch Anspruch auf 25 Urlaubstage, von denen zwei als Zusatzurlaub einzustufen waren. Der Zusatzurlaub stand dem Mann wegen einer Schwerbehinderung zu. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der noch offene Urlaubsanspruch in den sogenannten Urlaubsabgeltungsanspruch um. So besagt es der § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes.

Bislang hielt das Bundesarbeitsgericht an der Auffassung fest, dass ein Abgeltungsanspruch eines Erben in Bezug auf den noch nicht genommenen Urlaub des Erblassers nur dann zu bejahen sei, wenn sich der Urlaubsanspruch des Verstorbenen bereits vor dessen Tod in einen Abgeltungsanspruch gewandelt hatte. Die Richter kannten also bislang lediglich die Vererbbarkeit eines bereits entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruchs an.

Unionsrechtskonforme Auslegung des deutschen Urlaubsrechts

Durch die eindeutige rechtliche Positionierung des Europäischen Gerichtshofs, nämlich dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht mit dessen Tod untergeht, musste auch das deutsche Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung anpassen. Statt die nationalen Regelungen das Erbrecht betreffend nicht mehr zur Anwendung zu bringen, entschieden sich die Richter des Bundesarbeitsgerichts für eine unionskonforme Auslegung dieser Vorschriften. Diese unionsrechtskonforme Auslegung der betreffenden §§ 1 und 7 Abs. 4 BUrlG ergab, dass der vor dem Tod des Erblassers nicht mehr genommene und nicht in Geld abgegoltene Urlaub in die Erbmasse übergeht. Das bedeutet ganz konkret, dass Urlaubsansprüche vererbt werden können. Dies betrifft sowohl die Geltendmachung dieser Ansprüche gegenüber privaten als auch gegenüber öffentlichen Arbeitnehmern.

Abgeltungsanspruch der Erben erfasst auch Zusatzurlaub und Mehrurlaub

In ihrem Urteil vom 22. Januar 2019 (Az. 9 AZR 45/19) stellten die Erfurter Richter außerdem klar, dass nicht nur der gesetzliche Mindesturlaub vom Abgeltungsanspruch des Erben umfasst wird, sondern auch ein etwaiger Zusatz- oder Mehrurlaub. Unter Mehrurlaub fällt beispielsweise ein Urlaubsanspruch aus dem Tarifvertrag, der über die gesetzlich vorgeschriebenen 24 Tage hinausgeht. Ein Zusatzurlaub kann dann relevant werden, wenn es sich um einen schwerbehinderten Beschäftigten handelt. Im vor dem BAG verhandelten Fall war dies gegeben.

In dem für den im Jahr 2010 verstorbenen Erblasser anzuwendenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst war zudem nicht zu entnehmen, dass die Erben das Verfallsrisiko, den Mehrurlaub betreffend, im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Beschäftigten zu tragen hätten. Somit wurde der klagenden Alleinerbin ein Urlaubsabgeltungsanspruch von insgesamt 5.857,75 Euro zugesprochen.

Zusammenfassung: Erben steht nun auch nach deutscher Rechtsprechung ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für diejenigen Urlaubstage zu, die dem verstorbenen Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes noch zustanden. Neben dem gesetzlich gewährten Mindesturlaub umfasst dieser Anspruch ebenfalls tarifvertraglich zugesicherten Mehrurlaub sowie gesetzlichen Zusatzurlaub. Das Bundesarbeitsgericht hat somit seine bisherige Rechtsprechung zugunsten einer Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen modifiziert und die durch die Europäische Union entwickelten Richtlinien unionskonform umgesetzt. / Fotoquelle: fotolia.de / © marcus_hofmann

Autor: Gaby Mertens

Auch Gaby war in der Versicherungsbranche tätig und hat schreibt schon seit 2011 für unser Magazin. Nach einer längeren Auszeit im Ausland ist sie nun wieder da, und wir freuen uns, dass sie uns wieder mit ihren Texten unterstützt und immer eine Tüte Gummibärchen für die Kollegen bereithält.