Mehr Mitbestimmung für Mitarbeiter?

- 24.03.2021 von Sonja Hess -

Hierarchie und KarriereViele deutsche Unternehmen werden noch heute patriarchalisch geführt. Der Chef trifft alle Entscheidungen und bestimmt den Kurs. Die Mitarbeiter führen nur die Anweisungen der Geschäftsleitung aus. Langsam aber sicher breitet sich jedoch die Erkenntnis aus, dass ein Plus an Mitbestimmung für die Belegschaft positive Effekte sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer hat.

Was bedeutet mehr Mitbestimmung durch die Mitarbeiter?

Damit ist gemeint, dass Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung übernehmen und selbstständiger handeln. Das geschieht auf vielen Gebieten. Ein Beispiel dafür sind gleitende oder flexible Arbeitszeiten. Innerhalb bestimmter Grenzen können Mitarbeiter selbst entscheiden, wann sie zur Arbeit kommen und wann sie Feierabend machen. Auch die Option, auf Wunsch im Home-Office arbeiten zu können, gehört in diese Kategorie. Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer bedeutet auch, dass diese in die Lage versetzt werden, eigene Entscheidungen zu treffen oder zumindest am Prozess der Entscheidungsfindung beteiligt zu sein.

Ein wichtiger Punkt, der zu mehr Mitbestimmung beiträgt, ist eine flache Hierarchie. Das bedeutet, dass es zwischen der Führung des Unternehmens und der Belegschaft nicht mehr so viele Zwischenstufen gibt. In einer flachen Hierarchie werden Entscheidungen der Unternehmensführung direkt der Belegschaft vermittelt. Das verbessert die Kommunikation und die Geschäftsleitung erfährt unmittelbar die Reaktion der Betroffenen. Auch übernehmen hier einzelne Mitarbeiter immer mehr die Entscheidungen, die ihr Tätigkeitsfeld betreffen, selbst.

Was müssen Führungskräfte beachten?

Für Manager, die zuvor einen autoritären Führungsstil gewohnt waren, kann es eine schwere Umstellung sein, ihren Mitarbeitern mehr Verantwortung zu geben. Sie müssen lernen, loszulassen. Dazu gehört, dass Manager weniger Anweisungen geben, sondern vielmehr die geeignetsten Mitarbeiter für ein Projekt zusammenbringen und sie arbeiten lassen. Der Chef bleibt eher im Hintergrund und vermittelt bei Konflikten oder beseitigt Schwierigkeiten. Ein Eingreifen erfolgt nur im Notfall.

Das Vertrauen der Mitarbeiter erwerben und ihnen auch erlauben, Fehler zu machen, gehört ebenfalls dazu. Dazu gehört, dass der Manager offen und freundlich mit den Mitarbeitern kommuniziert und sie über wichtige Entscheidungen und Probleme rechtzeitig informiert. Er sollte jederzeit für seine Mitarbeiter erreichbar sein. Wenn ein Arbeitnehmer Fehler macht, sollte er nicht abgekanzelt werden, sondern konstruktive Kritik geübt werden. Das bedeutet, mit den Beteiligten die Ursachen des Fehlers finden, diese korrigieren und beheben.

Sehr wichtig ist auch, das Team der Mitarbeiter zu stärken. Das geschieht, indem man sich beispielsweise nach Feierabend auf ein Bier oder einen Kaffee trifft oder im Home-Office beim Videochat auch mal über andere Dinge als nur den Job spricht.

Wie wirkt sich mehr Freiheit auf die Mitarbeiter aus?

Das kommt auf die Persönlichkeit an. Viele genießen es, wenn sie eigene Entscheidungen treffen können, zum Beispiel wann sie an welchem Projekt arbeiten können oder ob sie in die Firma kommen oder daheim arbeiten dürfen. Andere Menschen bevorzugen jedoch klare Strukturen. Sie wollen lieber nach exakten Anweisungen arbeiten und bevorzugen feste Regeln.

Erfahrungsgemäß reagieren jedoch die meisten Mitarbeiter positiv, wenn sie eine größere Eigenverantwortung haben. Sie leisten mehr als unter einem autoritären Führungsstil, weil sie dann besser motiviert sind. Ein gutes Beispiel sind Mitarbeiter im Home-Office. Nach eigenen Aussagen und der Meinung unabhängiger Experten leisten sie dort mehr als im Büro.

Auf das Unternehmen wirkt sich die bessere Motivation ebenfalls positiv aus. Mitarbeiter leisten freiwillig und ungefragt Mehrarbeit, wenn es notwendig ist. Sie stellen nicht Entscheidungen der Geschäftsleitung in Frage, sondern setzen sie um, weil sie verstehen, warum sie notwendig sind. Das zahlt sich besonders aus, wenn es unpopuläre Entscheidungen sind oder wenn es sich um plötzliche Aufträge handelt, die sehr dringend umgesetzt werden müssen.

In welchen Bereichen sollten Mitarbeiter mehr Freiheiten erhalten?

Das sind zunächst einmal die persönlichen Bereiche. Dazu gehören die Arbeitszeit und auch immer mehr der Arbeitsort (Firma oder Home-Office). Die Mitbestimmung sollte sich jedoch nicht nur auf die Rahmenbedingungen, sondern auf die Arbeit selbst beziehen. Mitarbeiter können beispielsweise entscheiden, welche Arbeiten Priorität haben. Das System der Mitbestimmung kann allerdings nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter durch die Führungskräfte über Fakten informiert werden, die für ihre Arbeit wichtig sind.

Letztendlich profitieren beide Seiten von mehr Mitbestimmung. Aber es erfordert auch Mut zur Toleranz und die Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen. / Fotoquelle: © Monkey Business Images – Shutterstock.com

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können