Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

- 30.01.2020 von Kim Teschner -

Gleichbehandlungsgesetz und AbmahnungUmfragen zufolge wurde bereits jeder zweite Arbeitnehmer in der einen oder anderen Form am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Zwar sind die Mehrzahl der Betroffenen Frauen, aber auch Männer oder Transsexuelle bleiben davon nicht verschont. Die Dunkelziffer ist sehr hoch, weil viele aus Angst oder Scham schweigen.

Was ist überhaupt sexuelle Belästigung?

Dass zwischen Kollegen auf der Arbeit geflirtet wird, gehört zum normalen Arbeitsalltag. Flirts sind sogar gut für das Arbeitsklima. Sie heben die Stimmung und sorgen für eine lockere, entspannte Atmosphäre. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied: Flirten geschieht immer im gegenseitigen Einvernehmen. Das gilt auch, wenn dieses Einvernehmen stillschweigend erfolgt. Eine sexuelle Belästigung geschieht dagegen immer gegen den Willen des Betroffenen. Die Aktion erfolgt einseitig durch den oder die Verursacher, obwohl die betroffene Person deutlich ausgedrückt hat, dass sie dieses nicht wünscht.

Welche Formen sexueller Belästigung gibt es?

Das Gesetz unterscheidet zwischen 3 Hauptkategorien:

  • körperlich
  • verbal
  • non-verbal

Als körperliche sexuelle Belästigung gelten alle ungewollten Körperkontakte, sei es Streicheln, Küssen, Umarmungen, Kneifen und alles andere.

Verbale sexuelle Belästigungen sind Bemerkungen sexueller Art, Beschimpfungen oder Ausdrücke sexueller Natur, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen oder Fragen, die in die Privatsphäre eindringen.

Eine non-verbale sexuelle Belästigung umfasst vor allem Telefonanrufe, das Versenden von Nachrichten sexuellen Inhalts per SMS, E-Mail oder in sozialen Medien oder das Zeigen von Bildern oder Filmen pornografischen Inhalts.

Wen kann es treffen und wie sollten Betroffene reagieren?

Die meisten Opfer sind zwar Frauen, aber auch Männer sind betroffen. Es gibt auch Straftaten von Frauen gegen Frauen und Männern gegen Männern. Besonders in Männerberufen (beispielsweise auf dem Bau) kann unter Umständen ein rauer Ton herrschen. Wenn sich Alteingesessene einen Spaß mit einem Neuen oder einem Azubi erlauben, kann dieser das durchaus als sexuelle Belästigung empfinden. In den meisten Fällen geht sexuelle Belästigung übrigens von gleichrangigen Kollegen aus.

Wer sexuell belästigt wird, sollte auf jeden Fall darauf reagieren. Durch Schweigen wird der Beschuldigte ermuntert, sein Verhalten fortzusetzen. Mitunter gibt es beispielsweise unterschiedliche Auffassungen. Für die eine Seite handelt es sich um einen harmlosen Spaß, die andere Seite fühlt sich dadurch beeinträchtigt, also sexuell belästigt. Betroffene sollten deshalb unmissverständlich erklären, dass sie die Aktion nicht wünschen. Am besten stellen sie den Betreffenden vor anderen Kollegen zur Rede und sagen, dass sie sich belästigt fühlen. In den meisten Fällen hört das negative Verhalten danach auf.
Wird es fortgesetzt, sollte der unmittelbare Vorgesetzte informiert werden. Alternativ kann auch der Betriebsrat oder ein Gewerkschaftsvertreter kontaktiert werden.

Wann spricht der Gesetzgeber von einer sexuellen Belästigung während der Arbeit?

Das betrifft nicht nur die reine Arbeitszeit und den Arbeitsplatz, sondern bezieht auch den Weg zur und von der Arbeit und die Pausen mit ein. Inklusive sind auch alle betrieblichen Veranstaltungen wie Betriebsfeiern oder betriebliche Seminare und Fortbildungsveranstaltungen.

Besteht bei sexueller Belästigung eine Beweispflicht?

Nein, es besteht keine Beweispflicht. In der Praxis fördert es jedoch die Aufklärung des Falls, wenn die betroffene Person solche Vorfälle dokumentiert. Das bedeutet, Nachrichten sexuellen Inhalts auf dem Handy nicht zu löschen oder Kolleginnen/Kollegen zu bitten, notfalls als Zeugen zur Verfügung zu stehen. Andererseits gilt der Beschuldigte so lange als unschuldig, bis das Fehlverhalten erwiesen ist oder zugegeben wurde.

Was müssen Vorgesetzte unternehmen?

Sie sind verpflichtet, allen Vorwürfen wegen sexueller Belästigung nachzugehen. Dazu sind sie laut §12 ff AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) sogar gesetzlich verpflichtet. Ignoriert der Arbeitgeber die Beschwerde wegen sexueller Belästigung, hat das Opfer das Recht, die Arbeit am betreffenden Arbeitsplatz einzustellen. Das Arbeitseinkommen muss fortgezahlt werden und dem Opfer darf keine Benachteiligung entstehen. Der Arbeitgeber muss gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz mit den ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen vorgehen. Das sind beispielsweise:

  • Personalgespräch
  • Abmahnung
  • fristlose Kündigung

In der Praxis wird der Fall oft durch eine Abmahnung in Verbindung mit der Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder in eine andere Schicht im Interesse aller Beteiligten geklärt. Sollten diese Maßnahmen keinen Erfolg haben, kann das Opfer sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz auch einen Anwalt aufsuchen und sich über das weitere Vorgehen beraten lassen. / Fotoquelle: © Andrey Popov – Shutterstock.com

Autor: Kim Teschner

Kim ist bereits seit 2012 bei uns. Damals hat sie hauptberuflich bei einem Steuerberater gearbeitet und wollte ihr Wissen gerne einem breiten Publikum zur Verfügung stellen. Nach Mutterschutz und Elternzeit ist sie nun endlich wieder da und unterstützt uns in den Bereichen Finanzen, Gehalt und Steuern.