Negative Inflation – Eine Gefahr für Ihr Geld?

- 05.10.2015 von Marlen Schurr -

NiedrigzinsenIn den letzten Monaten hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldmarkt massiv mit frischem Geld geflutet. Diese häufig scharf kritisierten Maßnahmen, die zum Beispiel auch mit dem Aufkauf von Euro-Staatsanleihen einhergingen, hatten primär einen Zweck: Den Preisverfall zu stoppen und damit deflationären Tendenzen entgegenzuwirken. Ende September nun fiel die Inflationsrate trotz dieser Vorkehrungen in 19 EURO-Ländern in den negativen Bereich.

Deflation – warum ist sie gefährlich?

Bekannt sind den meisten Menschen die spektakulären Folgen einer Inflation, bei der die Preise rasant steigen und das Geld gleichzeitig seinen Wert verliert. Deshalb wird auch der unvergessene schwarze Freitag 1929 meist mit späterer Inflation in Verbindung gebracht. Die große Weltwirtschaftskrise war allerdings zunächst einmal eine handfeste Absatzkrise resultierend aus einer Deflation. Dieses Beispiel zeigt, wie gefährlich eine Deflation tatsächlich werden kann. Die Risiken des Gegenstücks zur Inflation, der Deflation erscheinen zunächst immer weniger groß, gefährden aber die Gesamtwirtschaft noch weitaus stärker als die Inflation.

Eine deflationäre Entwicklung führt über sinkende Preise für Waren und Dienstleistungen zu sinkenden Löhnen. Im Ergebnis wird die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen damit geringer als das Angebot. Die beginnende Absatzkrise – befeuert durch die sinkende Nachfrage gerade auch im privatwirtschaftlichen Sektor aufgrund der gesunkenen Löhne – führt letztendlich zur Stagnation und zur wirtschaftlichen Depression. Besonders prekär an einer persistierenden Deflation ist dabei, dass man die wirtschaftliche Entwicklung nicht so schnell wieder in Gang bekommt. Löhne, Konsum und Geldfluss steigen nicht von heute auf morgen, die Investitionsbereitschaft lässt sich auch nicht schnell wieder entfachen. Die gesamtwirtschaftliche Leistung kann auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gelähmt werden. Viele Länder haben sich erst mit Ausbruch des 2. Weltkrieges von den Folgen der Große Depression Ende der 1920er Jahre erholen können. Besonders die hohe Arbeitslosigkeit während der Krise konnte kaum bewältigt werden und führte zur Verelendung breiter Bevölkerungskreise.

Die aktuelle Entwicklung

Eine ganze Reihe von Experten sieht die aktuelle Situation relativ gelassen. Das sinkende Preisniveau von September bewerten sie vor allem als kurzfristige Folge sinkender Energiepreise. Vor allem aber werden die Niedrigzinspolitik und die Geldflutung der Märkte durch die EZB als ausreichende Gegenmaßnahmen angesehen, ein Erlahmen des wirtschaftlichen Motors zu verhindern.
Viel ist von den privaten Konsumenten abhängig, bei denen zurzeit keine Zurückstellung von Käufen zu beobachten sei. So sieht es jedenfalls Jens Weidmann, Chef der Bundesbank. Im September habe man gleichzeitig eine Aufhellung der wirtschaftlichen Stimmung in der Euro-Zone beobachten können. Auch sind aktuell keine relevanten Lohnabsenkungen zu beobachten gewesen, im Gegenteil gerade in Deutschland konnte man im letzten Quartal erhebliche Lohnsteigerungen verzeichnen. Die Geldflutung macht den Euro billiger, was wiederum Importe verteuert und die Inflation ansteigen lässt.

Dennoch besteht gerade für die EZB kein Grund, sich zu entspannen. Angestrebt wird eine Inflationsrate von 2 %. Man wird also weiter daran arbeiten müssen, diese zu erreichen und zu stabilisieren. In den 1920er Jahren wurden viele Fehler in der Krisenbewältigung gemacht, wie man später feststellen konnte. Unter anderem wurde gerade kein Geldfluss freigesetzt, der den totalen Zusammenbruch der Wirtschaft hätte abmildern können. Die US-amerikanische Notenbank hatte damals im Gegenteil die Geldmenge um 30 % reduziert, was die beginnende Deflation und damit einhergehende Bankenkrise weiter anheizen konnte. Heute versucht man in allen großen Volkswirtschaften, ähnliche Fehler zu vermeiden.

Und das eigene Geld?

Das Geld von Privatanlegern erscheint zunächst durch eine Inflation stärker gefährdet als durch eine Deflation.
Denn das Geld an sich verliert in der Deflation nicht seinen Wert. Sparer werden allerdings zurzeit weiterhin die Folgen der niedrigen Zinsen spüren, solange die deflationistischen Tendenzen nicht völlig gebannt sind. Unter volkswirtschaftlichen Aspekt mag man sogar versucht sein, folgendes zu raten: Liebe Leute, spart nicht zu viel, sondern konsumiert Waren und Dienstleistungen. Liebe Arbeitgeber, zahlt noch ein bisschen mehr Lohn. Gerade der private Konsum hilft nämlich, die Deflationsgefahr zu zügeln. Vielleicht haben wir dann auch bald wieder höhere Zinsen. / Fotoquelle: fotolia.de / © goodstock

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!