Arbeitnehmer aufgepasst – Mit diesen Strategien kann der Chef den Mindestlohn umgehen

- 29.09.2014 von Sonja Hess -

Mindestlohn und NiedriglohnsektorIm August 2014 verabschiedete der Bundestag das Mindestlohngesetz (MiLoG). Es besagt, dass ab dem 1. Januar 2015 jedem Arbeitnehmer ein unabdingbarer Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns von 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde besteht. Während viele Arbeitgeber an das Gesetz halten werden, da die gezahlten Löhne und Gehälter bereits jetzt darüber liegen, werden einige womöglich nichts unversucht lassen, um das Mindestlohngesetz zu umgehen.

Welche Strategien kommen dafür in Betracht?

Um weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen zu müssen, können Arbeitgeber einige Tricks anwenden. Möglichen Spielraum für eine Umgehung bieten zum Beispiel:

  • Unbezahlte Überstunden
  • Scheinselbstständigkeit
  • Vereinbarung von Werkverträgen
  • Vereinbarung eines Stücklohns

Wie funktioniert das im Einzelnen?

Überstunden bieten Spielraum zur Manipulation. Prinzipiell kann der effektive Stundenlohn durch das Ableisten unbezahlter Überstunden gesenkt und dadurch seitens des Arbeitgebers Geld eingespart werden. Das können beispielsweise Tätigkeiten zum Reinigen oder zur Arbeitsvorbereitung sein, die nicht zur eigentlichen Arbeitszeit gerechnet werden und daher nicht bezahlt werden. Dazu zählen unter anderem das Auffüllen von Regalen oder das Reinigen von Maschinen. Auch Bereitschaftsdienst kann zurzeit noch mit weniger als dem Mindestlohn vergütet werden.

Ein anderer, jedoch nicht legaler Weg, den Mindestlohn zu umgehen, ist die Scheinselbstständigkeit, weil der Mindestlohn nur für abhängig Beschäftigte, nicht aber für Selbständige oder freie Mitarbeiter gilt. Bei der Beschäftigung von Selbstständigen muss der Arbeitgeber für die Vergütung der geleisteten Arbeit keinen Mindestlohn zu zahlen. Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit sind, wenn der Betreffende nach wie vor den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten hat, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten hat, vom Arbeitgeber kontrolliert wird, regelmäßig Berichte zu erstatten hat und nur bestimmte Arbeitsmittel benutzen darf.

Bei einem Werkvertrag wird der Mindestlohn umgangen, weil dieser nur greift, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Ein Werkvertrag ist jedoch kein Arbeitsvertrag, weil er keinen Dienst (die geleistete Arbeitszeit) bezahlt, sondern das gefertigte Produkt. Die Bezahlung wird erst dann geleistet, wenn die Arbeit erbracht, also das Produkt hergestellt ist. Die Hauptunterschiede zwischen einem Werkvertrag und einem Arbeitsvertrag besteht darin, dass der Werkhersteller für das Arbeitsergebnis haftet, nicht in den Auftragsbetrieb integriert ist und nicht weisungsgebunden ist.

Eine weitere Möglichkeit zur Umgehung des Mindestlohns ist der sogenannte Stücklohn, auch leistungsabhängige Vergütung oder im Volksmund Akkord genannt. Der Arbeitnehmer wird beim Stücklohn pro hergestellten Produkt vergütet. Da es sich bei dieser Entlohnung nicht um einen Stundenlohn handelt, kann zumindest theoretisch der gesetzliche Mindestlohn damit umgangen werden. In der Praxis wird wohl aber auch der unter normalen Umständen (durchschnittliche Stückzahl) erwartbare Stücklohn nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen dürfen. Spielraum zur Umgehung des Mindestlohns besteht demnach hier wohl nur bei der zu erwartenden Stückzahl bestehen.

Daneben gibt es noch andere Möglichkeiten, um den Mindestlohn zu umgehen. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Langzeitarbeitslosen, die in den ersten 6 Monaten nach Beginn der Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen sind oder von Praktikanten, für die der Mindestlohn ebenfalls nicht gilt, wenn das Praktikum weniger als 3 Monate währt.

Was können Sie tun, um solche Umgehungen zu verhindern?

Ob und wie sich das Gesetz über den Mindestlohn durchsetzen lässt, wird gespannt beobachtet werden. Für die Überwachung der Einhaltung ist der Zoll zuständig. Falls Sie vermuten, dass Ihr Arbeitgeber versucht, den gesetzlichen Mindestlohn zu umgehen, sollten Sie sich zunächst an den Betriebsrat oder den Gewerkschaftsvertreter wenden. Sollten diese in Ihrer Firma nicht vorhanden sein, können Sie sich auch direkt (und nötigenfalls sogar anonym) an den Zoll wenden. Bevor Sie einen Verstoß melden, sollten Sie den Vorgang so gut wie möglich dokumentieren und zu belegen versuchen. Ehe Sie sich zu Schritten hinreißen lassen, die ernste Konsequenzen haben können, empfiehlt es sich, professionellen juristischen Beistand zu suchen. / Fotoquelle: fotolia.de / © fotodo

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können