Bedingungsloses Grundeinkommen: Pro und Contra

- 30.06.2015 von Marlen Schurr -

GrundeinkommenJeder bekommt ein bestimmtes Grundeinkommen, ohne dafür Bedingungen erfüllen oder Gegenleistungen erbringen zu müssen, – für die einen ein Idealzustand, für andere eine realitätsferne Utopie. Doch was spricht eigentlich dafür oder dagegen?

 

Finnland bringt neuen Schwung in eine alte Debatte

Die Idee, dass jeder Bürger eines Staates ein bestimmtes Grundeinkommen erhalten sollte, dessen Bezug an keinerlei Voraussetzungen geknüpft ist, wird schon seit vielen Jahrzehnten diskutiert. Vor einigen Tagen erhielt die Debatte neue Nahrung, als Meldungen über die Einführung eines Grundeinkommens in Finnland durch die Medien geisterten.

Bei den Befürwortern dieser Idee lösten die Meldungen zum Teil regelrechte Begeisterungsstürme aus, doch spätestens auf den zweiten Blick zeigte sich, dass es nicht um eine flächendeckende Einführung des Grundeinkommens in Finnland geht, sondern lediglich um ein Experiment, mithilfe dessen mögliche Auswirkungen einer solchen Maßnahme erforscht werden sollen. Dennoch ist die Freude vieler Befürworter des Grundeinkommens hierzulande nicht gewichen, denn auch ein Experiment zu diesem Thema wäre aus ihrer Sicht bereits ein wichtiger Schritt. Denn bislang gibt es nur so gut wie keine praktischen Erfahrungen zu diesem Thema, und aussagekräftige Ergebnisse eines solchen Experiments könnten die Diskussion ein gutes Stück voranbringen.

Skeptiker fürchten fehlende Arbeitsmotivation – Befürworter sehen faire Lösung und weniger Bürokratie

Als Argument für die Einführung eines Grundeinkommens wird in erster Linie ins Feld geführt, dass sich damit die Umverteilungsbürokratie drastisch reduzieren ließe und dass die Menschen nicht mehr genötigt wären, zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts jede Arbeit anzunehmen. Bestimmte Sozialleistungen könnten entfallen, weil sie durch das Grundeinkommen bereits mit abgedeckt wären. In der Folge müssten weniger Anträge gestellt und bearbeitet werden, was erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse mit sich brächte. Dem halten Kritiker des Konzepts regelmäßig entgegen, dass bei Gewährung eines Grundeinkommens viele Menschen nicht mehr motiviert wären, einer Arbeit nachzugehen, was jedoch wiederum von den Befürwortern bezweifelt wird.

Andere wiederum befürchten, dass es nach der Einführung eines Grundeinkommens zu Prekarisierungstendenzen kommen könnte, weil Renten oder bisherige Sozialleistungen höher gewesen wären oder die Löhne erheblich sänken. Ein Experiment könnte in diesem Punkt tatsächlich mehr Klarheit bringen. Allerdings müsste es unter möglichst realistischen Bedingungen, mit einer ausreichend großen Anzahl von Teilnehmern und über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden, um überhaupt zu aussagekräftigen Resultaten zu gelangen. In den zurückliegenden Jahren gab es bereits mehrfach Ansätze in dieser Richtung, so beispielsweise in den 1970er Jahren in Kanada und in einem namibischen Dorf in den Jahren 2008 bis 2013. Auch ein Projekt, bei dem via Crowdfunding zwölf Personen für ein Jahr ein Grundeinkommen von monatlich 1.000 Euro finanziert wurde, ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Doch bei all diesen Initiativen waren entweder zu wenige Personen beteiligt oder die Laufzeit war zu kurz, um aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich belastbare Aussagen treffen zu können.

Finnland: Grundeinkommen schafft es bis in die Koalitionsvereinbarung

Vor diesem Hintergrund lohnt sich in der Tat ein Blick auf das, was derzeit in Finnland diskutiert wird. Die neue Regierung, die von der liberalen Zentrumspartei, von der konservativen Nationalen Sammlungspartei sowie von den rechtspopulistischen Partei der Finnen gebildet wird, hat in ihrer Koalitionsvereinbarung nur mit einem Satz festgehalten, dass man ein Experiment zum Thema Grundeinkommen starten wolle. Näheres ist allerdings bislang noch nicht bekannt. So steht weder fest, wie das Experiment ablaufen, wann es starten und wie lange es dauern soll, noch hat sich die Regierung auf eine Definition des Begriffs Grundeinkommen für diesen Zweck festgelegt. Denn gerade in diesem Punkt gibt es durchaus konträre Ansätze. So kann ein Grundeinkommen zum einen darin bestehen, dass bestimmte Personen entsprechende Geldzahlungen erhalten, zum anderen kann es auch in Form einer sogenannten negativen Steuer gewährt werden.

Auch ist derzeit noch unklar, inwiefern durch das Grundeinkommen andere Leistungen ersetzt werden. Bis zum Start des Experiments könnten also noch einige Jahre vergehen. Möglicherweise werden die ersten substanziellen Neuigkeiten zum Thema Grundeinkommen deshalb nicht aus Finnland, sondern aus der Schweiz kommen. Dort gibt es seit Jahren ebenfalls zahlreiche Aktivitäten in dieser Richtung, und dem Parlament liegt bereits ein konkreter Entwurf vor, über den im Jahr 2016 entschieden werden soll. / Fotoquelle: fotolia.de / © Thomas Reimer

Autor: Marlen Schurr

Eine Autorin der ersten Stunde und Frauchen von Emma. Marlen hat Betriebswirtschaft studiert und danach lange bei einer großen Bank gearbeitet. Finanzen und Wirtschaftsthemen sind ihr Steckenpferd, auch bei der Altersvorsorge weiß sie, wovon sie schreibt. Während ihrer Elternzeit hat sie zum Glück immer wieder Zeit gefunden, sich durch Seminare und Vorträge auf dem Laufenden zu halten und arbeitet inzwischen wieder stundenweise in ihrem alten Job, getreu dem Motto „einmal Banker, immer Banker“. Wir freuen uns, dass sie auch den Weg zu uns zurückgefunden hat und wieder da ist!