Vier Monate Mindestlohn – Business as usual?

- 13.05.2015 von Sonja Hess -

MindestlohnKaum eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme polarisierte bei ihrer Einführung vor 4 Monaten so heftig, wie die Einführung des Mindestlohns. Arbeitgeber sahen den wirtschaftlichen Untergang heraufziehen, die Gewerkschaften eine uralte Kernforderung erfüllt. In beiden Lagern ist es vermeintlich ruhiger geworden zum Thema Mindestlohn, die Arbeitsmarktzahlen zeigen sich relativ unbeeindruckt. 

Der Mindestlohn – was bedeutet er?

Nachdem bereits zahlreiche europäische und außereuropäische Länder Mindestlöhne per Gesetz festlegen, hat man auch in Deutschland zum 1. Januar 2015 erstmalig einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von zurzeit 8,50 EURO je Zeitstunde festgesetzt. Die Regierungskoalition ist damit einer lange immer wieder ins Spiel gebrachten Forderung der Gewerkschaften und sozial-orientierter Politikerkreise gefolgt. Im Verhältnis zur Tarifautonomie werden höher angesiedelte Branchenlöhne nicht verdrängt. Bis 2017 sind in dem Gesetz noch einige Ausnahmen vorgesehen, etwa in der Land- und Forstwirtschaft. Grundsätzlich hat ein volljähriger Arbeitnehmer in der Bundesrepublik seit vier Monaten Anspruch auf den Mindestlohn. Eine Mindestlohnkommission entscheidet über künftige Erhöhungen, erstmalig zum 1. Januar 2017.

Gegner und Befürworter mit guten Argumenten

Für die Gewerkschaften ist der Mindestlohn

  • das Mittel gegen Lohnarmut.
  • ein Mittel gegen Altersarmut.
  • Entlastung der Staatsfinanzen.
  • Garant für fairen Wettbewerb.
  • Motor für die Binnenwirtschaft.
  • Motor für Chancengleichheit und Gleichberechtigung.
  • Garant für Transparenz bei der Entlohnung.

Arbeitgeber und ihre Verbände sehen den Mindestlohn überwiegend kritisch. Ihr Hauptargument gegen diese Maßnahme heißt auf den Punkt gebracht:
Der Mindestlohn schaffe Einstellungshindernisse für qualifizierte Arbeitnehmer und beeinflusse damit die Gesamtwirtschaft negativ. Einzelne Branchen würden existenziell gefährdet.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich (saisonal) stabil

Betrachtet man die aktuellen Zahlen zum Arbeitsmarkt, scheint sich der Mindestlohn weder positiv noch negativ bemerkbar zu machen. Die Bundesagentur für Arbeit sieht lediglich einen starken Rückgang der sogenannten Minijobs seit Jahresanfang, hält endgültige Bewertungen dieses Trends jedoch für verfrüht, da gleichzeitig ein leichter Anstieg regulärer Stellen festzustellen sei. Diese Zahlen veranlassen die Gewerkschaft dazu, den Mindestlohn als Erfolgsgeschichte zu verbuchen und bereits über dessen Erhöhung zu spekulieren.

Von notleidenden Taxiunternehmern und „Bürokratiemonstern“

In der Wirtschaft verstummen die Forderungen nach mehr Ausnahmen vom Mindestlohn nicht. Einigen Branchen scheint die Zahlung von 8,50 EURO sehr schwer zu fallen. Dies wird nicht immer sofort deutlich erkennbar, wenn es sich zunächst um regionale Erscheinungen handelt. So berichtet man etwa in der Taxibranche von manchem, regional ausgedünnten Fahrzeugangebot und Personalabbau – trotz angehobener Fahrpreise.

Insgesamt beklagt die Wirtschaft den mit dem Mindestlohn verbundenen bürokratischen Aufwand durch die vorgeschriebene Dokumentation. Gerade der Mittelstand spricht von „monströsen Anforderungen“ und schließt Umfragen zufolge Entlassungen als Reaktion nicht aus. Besonders kleinere und mittlere Betriebe tun sich schwer mit den Dokumentationspflichten und konstatieren durchweg nicht nur gestiegene Lohnkosten durch erhöhte Lohnzahlungen, sondern Kosten durch übermäßigen bürokratischen Aufwand. Während man die Unternehmer in den Reihen der sozialpolitisch engagierten Kreise nicht aus den Dokumentationspflichten entlassen will, weil man Umgehungen des Mindestlohnes fürchtet, wird bei der CDU bereits wieder diskutiert. Man müsse unter anderem bei den Minijobs die Aufzeichnungspflichten streichen, fordert etwa der Landesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Rheinland-Pfalz Gereon Haumann.

Nicht das letzte Wort

Es ist zu früh, den Mindestlohn als endgültigen sozialpolitischen Erfolg zu verbuchen. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen fallen (auch) in das saisonale Frühjahrshoch. Mögliche wirtschaftliche Folgen des Mindestlohns wird man erst im Laufe des Jahres beurteilen können. Auch im Hinblick darauf, wieviel Verbraucher für Produkte und Dienstleitungen mehr zahlen, weil die Unternehmen die gestiegenen Lohnkosten umlegen. Mancher Minijobber wird sich nach dem Verlust der Arbeit auch nur schwer damit trösten lassen, er habe Anspruch auf 8,50 EURO. Ausdiskutiert ist das Thema Mindestlohn hinter den politischen Kulissen noch lange nicht. / Fotoquelle: fotolia.de / © Marco2811

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können