Praktikanten und der Mindestlohn

- 27.08.2015 von Sonja Hess -

Vergütung für PraktikantenSeit dem 1. Januar diesen Jahres gilt in Deutschland der flächendeckende Mindestlohn. Er ist auch für Praktikanten von Bedeutung. Allerdings gibt es hier differenzierte Regelungen. Längst nicht jeder, der ein Praktikum absolviert, kann für sich einen Anspruch auf die Mindestvergütung von 8,50 Euro pro Stunde geltend machen.

Beendigung der Generation Praktikum

Mit dem Mindestlohn sollte eine Vergütung garantiert werden, die ausreicht, den nötigsten Lebensunterhalt zu bestreiten. Es war dabei die erklärte Absicht von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, mit den Regelungen auch der sogenannten der „Generation Praktikum“ ein Ende zu bereiten. Mit diesem Schlagwort wird die seit Längerem zu beobachtende Praxis in manchen Unternehmen bezeichnet, offene Stellen immer wieder mit Praktikanten zu besetzen. Diese erhielten dafür oft keine oder nur eine sehr geringe Vergütung – von der fehlenden Aussicht auf eine Festanstellung ganz zu schweigen. Praktika boten damit diesen Firmen eine sehr günstige und flexible Möglichkeit der Personalbeschaffung, die zu Lasten der Betroffenen ging und dem eigentlichen Zweck von Praktika zuwiderlief. Einige Regelungen im Mindestlohn-Gesetz beziehen sich daher ausdrücklich auf die Entlohnung von Praktikanten.

Kein Mindestlohn bei Praktika zur Qualifizierung

Allerdings wurde die Mindestlohn-Vorgabe nicht generell für Praktika eingeführt. Bei der gesetzlichen Regelung verfuhr man nach dem Prinzip, Praktika im Rahmen von Ausbildung und Studium tendenziell vom Mindestlohn auszunehmen. Die gesetzliche Mindestvergütung findet dagegen vor allem Anwendung auf längere Praktika nach Abschluss einer Berufsausbildung, die bereits einem Arbeitsverhältnis ähneln. Hier werden die geltenden Regelungen näher vorgestellt.

Vom Mindestlohn ausgeschlossen sind danach folgende Praktika:

  • Pflichtpraktika im Rahmen des Schulbesuchs, von Ausbildungen oder von Studiengängen. In vielen Lehrplänen, Ausbildungs- und Studienordnungen sind Pflichtpraktika als Orientierung und Vorbereitung auf eine spätere berufliche Tätigkeit vorgesehen. Hier steht die Qualifizierung und nicht die Vergütung im Vordergrund. Dazu gehören auch vorgeschriebene Praxisphasen während eines dualen Studiums;
  • freiwillige Praktika während des Studiums oder der Ausbildung, solange sie nicht länger als drei Monate dauern. Solche Praxisphasen sind in der Regel sehr empfehlenswert, um Erfahrungen zu sammeln und den Lebenslauf für spätere Bewerbungen zu „optimieren“. Dabei geht es ebenfalls primär um Qualifikation, weniger um die Vergütung;
  • Praktika, die dazu dienen, um eine Studien- oder Abschlussarbeit – zum Beispiel eine Master- oder Bachelorabeit – anzufertigen. Oft bieten Unternehmen Studenten entsprechende Möglichkeiten an. Solange die Tätigkeit sich dabei ausschließlich auf die Anfertigung der Arbeit bezieht und nicht für das Unternehmen erfolgt, besteht keine Mindestlohn-Pflicht. Ansonsten gilt das gleiche wie bei freiwilligen Praktika;
  • bei Praktikanten, die noch nicht volljährig sind und noch keinen Berufsabschluss haben, besteht generell keine Mindestlohn-Pflicht.

Bei allen diesen Arten von Praktika ist nicht nur der Anspruch auf Mindestlohn ausgeschlossen. Es besteht generell kein Zwang für das Unternehmen zur Vergütung. Wenn Praktikanten entlohnt werden, geschieht das vielmehr auf freiwilliger Basis. In vielen Unternehmen ist aber zumindest eine finanzielle Anerkennung für die geleistete Arbeit üblich. Besonders generös zeigen sich normalerweise das Baugewerbe (Vergütungen zwischen 900 Euro und 1600 Euro pro Monat) oder die Finanzbranche (700 Euro bis 900 Euro monatlich). Es gibt dabei aber auch regionale Unterschiede.

Hier gilt der Mindestlohn

Der Mindestlohn ist dagegen Pflicht,

  • bei Praktika, die außerhalb von Studium oder Ausbildung mit abgeschlossener Berufsqualifikation absolviert werden;
  • bei freiwilligen Praktika während des Studiums oder der Ausbildung, wenn sie länger als drei Monate dauern. Der Mindestlohn-Anspruch gilt dabei nach allgemeiner Auffassung bereits ab dem ersten Tag.
  • bei freiwilligen Praktika während des Studium oder der Ausbildung, wenn bereits ein solches Praktikumsverhältnis mit dem Praktikanten beim jeweiligen Unternehmen bestanden hat.

Praktikanten, für die der Mindestlohn gilt, haben im Übrigen auch einen Anspruch auf einen schriftlichen Praktikantenvertrag. Seine Inhalte sind einem herkömmlichen Arbeitsvertrag vergleichbar. Dazu gehören zum Beispiel Angaben über Beginn und Dauer des Praktikums, die Vergütung, die regelmäßige Arbeitszeit, Urlaubsansprüche sowie relevante Tarif- und Betriebsvereinbarungen. / Fotoquelle: fotolia.de / © Butch

Autor: Sonja Hess

Freiberufliche Autorin und Powerfrau, die sich in allen Bereichen zum Thema Arbeitsrecht, Finanzen und Karriere auskennt. Sie macht uns vor, dass es kein Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 2012 hat sie ihren ersten Text für uns geschrieben und nach einer etwas längeren Babypause freut sie sich nun, wieder die Ärmel hochkrempeln und schreiben zu können