Wohl kaum eine Frage ist so umstritten wie die Höhe der monatlichen Bezüge. Die einen schimpfen laut über ihre schlechte Bezahlung, die anderen hüllen sich bei einer Frage nach ihrem Verdienst in Schweigen. In der letzten Zeit mehren sich Stimmen, die nach mehr Lohntransparenz rufen. Einige Punkte sprechen dafür, andere dagegen.
Wie ist die aktuelle gesetzliche Situation?
Im Moment sind die Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, die Bezüge ihrer Beschäftigten offen zu legen. Wie hoch der Verdienst eines Mitarbeiters ist, wird individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt. Kollegen haben keine Möglichkeit, ihre Gehälter zu vergleichen. Es gibt sogar immer noch Arbeitsverträge, in denen steht, dass die Höhe des Verdienstes vertraulich behandelt werden soll. Solche Bestimmungen sind aber inzwischen unwirksam. Im Prinzip können Mitarbeiter ihre Gehälter zwar direkt miteinander vergleichen, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Auch der Betriebsrat darf die Höhe der Bezüge nicht veröffentlichen. Oft bleibt als einzige Möglichkeit die Zuhilfenahme einer Webseite mit Durchschnittsverdiensten verschiedener Berufsgruppen.
Warum will die Familienministerin die Lohnstruktur transparenter machen?
Familienministerin Manuela Schwesig will Unternehmen dazu verpflichten, die Gehälter der Beschäftigten zu veröffentlichen. Damit soll die Bezahlung gerechter werden. Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ soll ihrer Meinung nach endlich Realität werden und besonders die finanzielle Benachteiligung der Frauen ein Ende haben. Bis jetzt verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Selbst unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie kürzere Arbeitszeiten, Tätigkeiten im Niedriglohnsektor und anderes bleiben immer noch durchschnittlich 8 Prozent geringerer Lohn bei Frauen. Das lässt sich nur durch bewusste Diskriminierung erklären.
Welche Vorteile hat mehr Transparenz?
Jeder Kollege kann sein Gehalt mit dem der anderen vergleichen. Dadurch wird es schwer, bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Frauen oder Behinderte finanziell zu benachteiligen. Die Betroffenen hätten stichhaltige Zahlen in der Hand, mit denen sie vor Gericht gehen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit einfordern könnten.
Welche Nachteile gibt es?
Eine Offenlegung der Lohnstruktur würde das Arbeitsklima negativ beeinflussen, weil es zu endlosen Diskussionen kommen würde, warum ein Kollege ein paar Cent oder sogar einen Euro pro Stunde mehr verdient als der andere. Zudem würden die ohnehin schon hohen Fertigungskosten noch weiter steigen, weil die Lohnstruktur garantiert nicht nach unten angepasst werden würde. Außerdem müsste ein hoher Verwaltungsaufwand betrieben werden, weil ein Nachweis geführt werden müsste, wer wann wie viel verdient.
Muss gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden?
Das ist sehr schwierig zu beantworten und kommt auf die Umstände an. Am leichtesten ist es noch bei relativ einfachen Arbeiten in Handwerk und Industrie. Wenn zwei Kollegen beispielsweise am Band stehen und dieselben Teile fertigen, wäre es gerecht, wenn sie auch dasselbe verdienen. Dagegen spricht allerdings, das gleiche Arbeit noch lange nicht gleiche Leistung bedeutet! Der eine hat beispielsweise viel Erfahrung und produziert gute Qualität. Der andere hat wenig Erfahrung, ist abgelenkt oder hat Probleme und produziert Ausschuss. Ein Mitarbeiter sichert der Firma 10 Aufträge, der andere nur 2. Dafür ist der Umfang dieser beiden Aufträge größer als das Volumen der 10 anderen. Da eine einheitliche Regelung zu finden, die alle zufrieden stimmt, ist schwierig. Zusätzlich lässt sich Leistung auch nicht immer messen. So lässt sich diese in vielen Branchen, besonders in kreativen Berufen, nicht oder nur sehr schwer einschätzen.
Muss der Chef erklären, warum er Unterschiede macht?
Bis jetzt ist kein Chef dazu verpflichtet, die unterschiedliche Handhabung in der Höhe der Gehälter zu erklären. Nach der aktuellen Situation kann ihn niemand zwingen, die Gehälter seiner Mitarbeiter zu veröffentlichen. Ausnahmen sind Fälle, bei denen Mitarbeiter nachweisbar diskriminiert oder unter Tarif bezahlt werden. Wie weit die Nachweispflicht gehen wird, wenn die neue Gesetzgebung wirklich in die Realität umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Woanders ist man offener
In anderen Ländern ist Lohntransparenz kein Thema. In Südafrika werden zum Beispiel Jobs nach dem Paterson Job Grading System bewertet. Es gibt 6 Gruppen, von A bis F mit jeweils 2-3 Untergruppen. Die Einstufung des Jobs richtet sich nach der Art der Tätigkeit, welche Erfahrung und Verantwortung benötigt wird und wie viel Kreativität und Führungsqualität gefragt ist. Jedem Grad ist ein bestimmter Stundenlohn zugeordnet und so weiß jeder, wie viel ein Kollege verdient, wenn er dessen Einstufung kennt. Ein System, an dem man sich auch bei uns zukünftig orientieren könnte. / Fotoquelle: fotolia.de / © alphaspirit